SUPER700 im Interview über die Entstehung ihres neuen Albums „Under The No Sky“, die Erfahrungen der letzten Jahre und unstillbares Fernweh

Seit ihrer letzten Veröffentlichung Lovebites sind drei Jahre vergangen, vier Mitglieder verließen die Band, man tourte durch die ganze Welt, (er)fand sich ein wenig neu und stellt nun mit Under The No Sky das dritte Album der Band vor. Die erste Single , „Decent snow“, ist kostenlos zum Download verfügbar. popmonitor.berlin sprach mit Sängerin und Songwriterin IBADET RAMADANI im Interview über die Umbrüche der letzten Jahre, die Entstehung des neuen Albums und die Zukunft der Band. Dabei schwingt eine ruhige Heiterkeit durchs Gespräch und es wird trotz aller thematischen Höhen und Tiefen viel geschmunzelt und gegrinst.
Ihr habt am 9. März ein kleines Showcase in Berlin gespielt, anlässlich der baldigen Albumveröffentlichung. Wie habt ihr es erlebt?

Es war sehr schön, nach langer Zeit wieder in Berlin aufzutreten. Es ist nachwievor am aufregendsten, in der Heimatstadt vor Freunden und Bekannten zu spielen. Wir wollten deswegen die neuen Lieder erst mal vor möglichst unbekanntem Publikum live ausprobieren, aber im Rahmen der ‚Music Express Party‘ war es nicht einfach, den Auftritt zu unterschlagen und so kamen am Ende doch viele bekannte Gesichter und Fans und es war somit kein Ausprobieren mehr, sondern ein Bekanntmachen der Songs mit unseren Fans. Wir haben geschwitzt – den Schweiß, den man hat, wenn man jemand jemandem vorstellt.

Eure Live-Präsenz und Dynamik als siebenköpfige Band war ja immer ein besonders auffälliges Merkmal eurer Auftritte. Jetzt seid ihr ‘nur’ noch zu viert – spielt also weniger Instrumente gleichzeitig, verzichtet weitgehend auf mehrstimmigen Gesang und Du spielst meist parallel zum Singen auch noch ein Instrument …

(lacht) Jetzt sind wir echt gefordert.

Wie fühlt sich dieser Unterschied für euch insgesamt an? Und für Dich persönlich, eben nicht mehr so stark nur in der Rolle als Lead-Sängerin aufzutreten?

Gerade geht es darum, die Lieder zu viert zum Klingen zu bringen. Und da wir bisher erst zu siebt und dann zu fünft immer verwöhnt waren, muss nun jeder alle seine Gaben auf den Tisch legen. Meist können Musiker neben ihrem Hauptinstrument noch andere Instrumente spielen, das ist bei uns auch so. Ich liebe Chöre und wer einen Mund hat, muss jetzt auch singen. Da wir keinen Keyboarder haben, spielt Michael nun zusätzlich zum Bass auch Keyboards oder Gitarre. Ich spiele sehr gerne Gitarre und Bass und versuche den Jungs klarzumachen, dass ich sogar beide Instrumente gleichzeitig spielen könnte, wenn sie mich nur lassen würden. Mir ist es aber egal, in welcher Form ich auf der Bühne stehe, als Sängerin mit Instrument oder nur als Sängerin, solange ich dabei noch singen kann. Mit Gitarre schwitze ich eben mehr.

Fühlt ihr euch mit dieser Reduktion an Instrumenten und Arrangements wohl oder vermisst ihr etwas?

Im Moment gefällt es uns, dass wir zu viert sind und wir möchten die Erfahrung so machen, auch wenn wir hier und da tatsächlich mal was vermissen. Aber diese Reduktion stellt uns vor die Herausforderung, die Lieder auch in dieser Konstellation auf den Punkt zu bringen. Wir müssen uns jetzt überlegen, was eigentlich am Wichtigsten ist. Und so wenige sind wir dann eigentlich auch wieder nicht. Es gibt Bands, die nur aus zwei Personen bestehen. Die Fallhöhe von 7 auf 4 ist so groß, dass alle fast bestürzt sind. Uns gefällt es so erst mal.

Ihr wart ja nach Lovebites (2009) zunächst viel auf Tour – erst im deutschsprachigen Raum, dann von Osteuropa bis in den Balkan, danach in China und 2010 nochmals dorthin. Zumindest nach außen war es dann lange Zeit still. Das ist ja wirklich eine große Zeit-und-Raum-Spanne, um neue Songs zu schreiben. Wie sind die Songs in diesem Umfeld entstanden?

Das Leben, die Bandereignisse und die persönlichen Erfahrungen, die wir über die letzten Jahre hatten, haben die Songs geschrieben. Sie sind in dem Zeitraum, in dem nach außen hin nicht viel geschehen ist, entstanden. Wir haben in unserem Fuchsbau verdaut und gespien und dabei diese Platte geschaffen. Diesmal haben wir auf eigene Faust produziert. Wir hatten uns im Studio eines Freundes eingemietet und mal dort aufgenommen und mal in unseren Wohnzimmern. Je nachdem, was gerade möglich war, und je nachdem, wer von uns da war.

Also in der Tat ein ganz anderer Ansatz als beim letzten Album, wo ihr euch in einer verschneiten Hütte eingeschlossen hattet.

Lovebites ist in Zusammenarbeit mit Rob Kirwan sehr kompakt innerhalb von 6-7 Wochen entstanden. Erst haben wir geprobt, im Studio aufgenommen und dann gemischt. Die Lieder haben wir davor größtenteils in Südfrankreich in einem winzigen Dörfchen geschrieben. Wir haben diesmal über einen etwas größeren Zeitraum gearbeitet, da wir alle zwischendurch Geld verdienen mussten und uns das Studio eben auch mit dem Vermieter teilen mussten, es also nicht immer dann benutzen konnten, wann wir wollten. Die Songs sind mal im Studio entstanden, mal beim Kochen, mal auf dem Fahrrad, mal auf Reisen.

Hat sich eure neue Konstellation auch im Songwriting bemerkbar gemacht oder entstehen die Ideen nachwievor vor allem im Zusammenwirken von Michael und Dir? Und kannst Du uns einen kleinen Einblick in diesen Prozess geben?

Die Konstellation für das Songwriting ist dieselbe geblieben, aber die Herangehensweise bei den Aufnahmen war eine andere. Wir haben versucht, neues Material sehr bald nach der Entstehung aufzunehmen, ohne dass wir erst mal durch eine riesige Probephase gegangen sind. Wir wollten die Energie, die unmittelbar aus dem Schreiben entsteht, in die Aufnahme transportieren. Das ist die spannendste und frischeste Energie. Ich empfinde das Machen einer Platte als mehrmalige Reanimation eines Liedes: es wird geschrieben und geboren und Du liebst es; wenn Du es dann auch wirklich liebst, bedingungslos. Danach entsteht höchstwahrscheinlich eine Demo-Aufnahme in dem Bestreben, das Lied so einzufangen, wie es Dich in den ersten Atemzügen berührt hat. Irgendwann wird geprobt und auch da versucht man, die Essenz des Liedes wiederzubeleben und zum Klingen zu bringen. Später dann wird aufgenommen und seines Ursprungs gedacht und man will es zusätzlich in den schönsten Gewändern kleiden. Danach wird es gemischt und besonders hier kann alles nochmal eine andere Richtung nehmen. Daraufhin wird gemastert. Mit jedem Schritt hofft man, das Lied nicht zu verlieren und trotzdem entfernt man sich letzten Endes dann und nimmt Abschied von der Ursprungsidee. Das bedeutet aber nicht, dass es schlechter oder besser wird, es nimmt einfach nur eine andere Form an, bis es Dir gar nicht mehr wirklich gehört. Wir haben also diesmal versucht, die eigentümliche Idee schneller als sonst in die Aufnahme zu bringen und haben alles selber gemacht. Michael hatte dabei die Regler bei den Aufnahmen und beim Mischen in der Hand. Wir haben die Probephase übersprungen und als einzigen Außenstehenden Andreas Jung zum Mastern dazu geholt, weil wir ihm vertrauen und man super mit ihm arbeiten kann.

Das klingt sehr schön, sehr poetisch auch. Wie ist denn das Verhältnis von Musik und Realität in eurem Leben – welche Rolle spielt die Musik und Band für euch?

Es gibt bei uns allen eine große Bindung zur Musik seitdem wir klein sind. Wir machen einfach das, was wir als Kinder schon getan haben. Die Band begleitet Sebastian, Michael und mich nun schon seit 2003, als wir sie als Popband gründeten. Davor war sie in einem anderen Kontext unterwegs. Jan ist 2009 mit Lovebites dazu gestoßen, hat aber als Fan die Band schon all die Jahre vorher mitverfolgt. Super700 hat uns quasi bisher ein ganzes Jahrzehnt begleitet. Wir haben unsere letzten 10 Jahre mit der Band erlebt und verarbeitet. Sie und die Musik sind wie ein Baumloch, dem man seine Geheimnisse, seinen Ärger und seine Wünsche zuflüstert.

Jetzt gab es ja diesen Umbruch, mit dem Weggang von vier Bandmitgliedern – waren das eher musikalische oder persönliche Wege, die sich da getrennt haben?

Der Umbruch begann schon 2009 mit Lovebites. Zur Tour waren meine Schwestern schon nicht mehr dabei. Auch Johannes ging an der Gitarre und Jan kam dazu. Wir waren dann nur noch zu fünft, bis Simon zur Aufnahme von Under the No Sky auch ausgestiegen ist. Jeder Abschied war traurig und für alle nicht einfach, schließlich hatte man 6 Jahre miteinander verbracht, ist gemeinsam getourt, hat 3 Platten zusammen gemacht und die Freuden und die Aufregung darüber geteilt. Ich bewundere und schätze, dass wir alle so lange zusammengehalten haben. Es ist mehr als verständlich, wenn jemand dann irgendwann aus überlebenstechnischen und aus persönlichen Gründen geht. Eine siebenköpfige Band bringt trotz aller Liebe zur Musik viel Reibung mit sich.

Balkan, China, Vancouver, L.A. – wie erfahrt ihr denn die Reaktionen und Live-Atmosphäre im Ausland im Vergleich zum Berliner Publikum?

Das Publikumsverhalten ähnelt sich manchmal, und manchmal ist es sehr unterschiedlich. Während auf unseren Konzerten in L.A das Publikum aktiv an den Liedern teilnahm und kreischte und jubelte, wenn die Musik sie gerade packte, klatschte das Publikum in China am Ende des Liedes kollektiv und simultan genau 3 Sekunden lang. Das sind bisher die größten Unterschiede, die ich erlebt habe. Man muss aber nicht ganz so weit reisen, um Unterschiede zu erleben. Die gibt es auch schon innerhalb Deutschlands, zum Beispiel zwischen Stuttgart und Hamburg.

Es zieht euch ja scheinbar sehr in die Fremde – wie ist denn da die Verbindung?

(sehr lebendig) Wir sind alle sehr reiselustig und haben das große Bedürfnis, mit der Band in anderen Ländern zu spielen. Je unbekannter und unbereister das Land, desto spannender. Sehr gerne würde ich mal eine kaukasische Rallye machen, so wie es unsere Freunde und Vorbilder THE DURGAS schon gemacht haben. Ich würde mich nicht wundern, wenn sie als Nächstes – nachdem sie letztes Jahr über den Balkan bis nach Georgien und Armenien gereist waren – das kaspische Meer überqueren und durch Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan touren. Ich würde sofort mitreisen.

Apropos Heimat und Fernweh … in Deinen Texten ist ja immer so ein Gefühl von Heimatlosigkeit und Sehnsucht vorhanden. Früher war eure Musik stärker geprägt von diesem Drängenden, Ungeduldigen, oft auch mit einer gewissen Anspannung und Aggressivität – das neue Album dagegen ist von einer tiefen, ernsten und ruhigen Innerlichkeit gekennzeichnet. Die Texte sind auch sehr schmerzhaft. Ist das die hörbare Krise und das Erwachsenwerden, von denen eure Band-Biographie jetzt spricht?

Es gab sowohl in der Bandgeschichte als auch im persönlichen Leben Ereignisse, die uns sehr beschäftigt und mitgenommen haben. Under the No Sky ist aus einer Müdigkeit heraus entstanden. Wir haben aus diesem Halbdunkel irgendwann angefangen, zu arbeiten, ganz ungezwungen, aber entschlossen. Die Platte war fertig als wir dachten, sie sei fertig. Dabei kam eins zum anderen, wir ließen die Dinge einfach passieren, textlich und musikalisch. Vielleicht ist sie deswegen ruhiger und unaufgeregter.

Ja, man hört da einen deutlichen Bruch, von der lauten Energie hin zu einer souveränen Ruhe. Und obwohl es ganz anders klingt, ist es zugleich doch eindeutig SUPER700.

Nun ja … es gab eben viele Veränderungen und Ereignisse, die dazu geführt haben, viele unserer alten Vorstellungen loszulassen und zu hinterfragen. Daraus ist eben auch was Neues entstanden. Allerdings wussten wir schon früh, dass die Platte diesmal ruhiger werden sollte, mit mehr Raum für die Stimme. Das wir dann nur noch zu viert ohne Keyboards waren, hat unserer Vorstellung gedient, auch wenn wir trotzdem Klavier und Synthies benutzt haben, nur reduzierter und nicht mehr ganz so opulent.

Gib uns doch bitte einen kleinen SUPER700-Ausblick auf das Jahr 2012.

(voller Vorfreude) Am 6. April veröffentlichen wir Under The No Sky und spielen ab Mai eine kleine Release-Tour. Den Auftakt geben wir am 18. Mai im Lido. Es bleibt eher klein und kompakt. Dafür kommt im Herbst eine größere Tour. Vielleicht gibt es ein paar Festivals im Sommer und hoffentlich noch eine Reise nach Übersee.

Das Fernweh ist geblieben.

Auf jeden Fall.

Die letzte Frage: welche Frage würdest du SUPER700 im Interview stellen?

(überlegt lange) Ich würde SUPER700 fragen, ob sie die Band auch noch mit 80 Jahren machen und um die Welt touren wollen?

Darf ich raten? Ich schätze, ihr wollt unbedingt, so lange ihr könnt …

(grinst) Ja, ich bin gespannt, welche Musik wir mit 80 machen.

Wir danken für das angenehme und persönliche Interview.

Die Rezension zum Album Under The No Sky könnt ihr hier nachlesen.

(Diese Rezension erschien zuerst auf Popmonitor.berlin.)

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SUPER700 live am 18.05.2012 im Lido

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