So geht Kunstvermittlung im digitalen Raum

Das Städel-Museum veröffentlichte letzten Monat einen Onlinekurs zur Kunstgeschichte der Moderne. Mit prägnanten Texten, interaktiven Übungen und unterhaltsamen Videos vermittelt das neue Format spielerisch einige Grundlagen zur Betrachtung, Analyse und Interpretation von moderner Kunst. Die Einführung macht damit deutlich, dass weder Kunst noch ihre Wirkung zufällig enstehen. Der Kurs ist kostenlos online zugänglich und BESONDERS für Menschen ohne fachliche Vorkenntnisse geeignet.

 

Häuser am Ufer der Zaan, Claude Monet, 1871.

Wer stand nicht schon einmal ratlos vor einem modernen Kunstwerk? Oder hat sich gefragt, warum eine weiße Leinwand oder ein Klumpen Metall Kunst sein sollen? Allen, die etwas mehr über moderne Kunst erfahren wollen, aber weder Zeit noch Muße haben, dicke Bildbände zu wälzen, sei der neue Onlinekurs des Städel-Museums wärmsten ans Herz gelegt. Denn hier erfährt der interessierte Laie in fünf knackigen Modulen, worauf es bei der Beschäftigung mit moderner Kunst ankommt.

Eine knappe aber höchst informative Übersicht

Modul 1 widmet sich der Analyse von Kunstwerken: Techniken, Materialien und Werkzeuge werden vorgestellt und einige Grundkonzepte der Bildanalyse veranschaulicht, wie z. B. Komposition, Goldener Schnitt, Farbenlehre. In Modul 2 geben kurze Videos einen Überblick über europäische Künstlerzentren der Moderne und belegen wie die individuelle Künstlerbiografie Einfluss auf die Entstehung eines Kunstwerks nimmt.

1260 Farben, Gerhard Richter, 1974.

Modul 3 beleuchtet den Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Entwicklungen und dem Aufkommen neuer Stile und künstlerischer Manifeste. In Modul 4 geht es darum, wie einzelne Künstler sich konzeptuell auf ihre Vorgänger oder Zeitgenossen beziehen. Hier wird also der selbstreferenzielle Aspekt moderner Kunst beleuchtet. In Modul 5 schließlich erfährt man einiges über die Aufgaben von Museen, die Entstehung von Sammlungen und die Geschichte des Städel-Museums selbst.

Der Kurs überzeugt mit seiner idealen Balance zwischen inhaltlicher Dichte und Kürze sowie Klarheit der Form. Denn in den knappen und verständlichen Texten werden nur einige zentrale Konzepte und Zusammenhänge erklärt, die sich wie ein roter Faden durch den Kurs schlängeln. Jeder Textschnipsel wird durch die Abbildung mindestens eines Kunstwerks begleitet, um die Theorie einprägsam zu veranschaulichen. Die vielen Wiederholungen einzelner Werke und Konzepte in immer wechselndem Kontext sorgen dafür, dass man sich Parallelen und Überschneidungen sehr gut einprägen kann, ohne dass je Langeweile aufkäme. Pädagogisch überragend!

Web-Technologie im Dienste der Sache

Konstruktion, László Moholy-Nagy, 1924.

Auch die interaktiven Elemente sind nicht – wie so oft – reine Effekthascherei. Für diesen Kurs bedeuten sie einen echten Mehrwert, z. B. indem bestimmte Bildausschnitte hervorgehoben werden oder die Scroll-Richtung die Blickrichtung bei der Bildbetrachtung lenkt. Durch interaktive Übungen – z. B. ein abstraktes Gemälde zusammensetzen, um das Grundprinzip der Komposition zu verstehen – kommt ein spielerisches Element hinzu, das den Lernprozess nur umso unterhaltsamer und effektiver gestaltet.

Alle Bilder sind selbstredend hochauflösend, so dass man bis auf den kleinsten Pinselstrich hineinzoomen kann. Ein Zeitstrahl ab 1750 bis heute stellt Epochen, Strömungen, Stile, Künstler und historische Ereignisse übersichtlich in einen chronologischen Zusammenhang. Viele Querverweise und Links erlauben den Rückgriff auf andere Werke eines Künstlers, biografische Informationen oder chronologische Vergleiche. Hinzu kommt, dass Schauspieler Sebastian Blomberg einen fantastischen Moderator und Sprecher für die Videos abgibt.

Eine neuer Maßstab für digitale Lernformate

Brugge I, Christiane Baumgartner, 2005.

“Was sehen wir, wenn wir ein Bild betrachten? Was steht im Mittelpunkt, was bezieht sich worauf und wie verhält sich das Motiv zum Betrachter? Entdecken Sie, was es in Kunstwerken alles zu sehen gibt.” So lautet die Einführung des Städel-Onlinekurses und selten hat man den Genuss, dass ein Kurs seine Leitfragen so eindrücklich beantworten kann.

_____________________
Kunstgeschichte Online – Der Städel Kurs zur Moderne
Das Städel Museum in Frankfurt in Kooperation mit der Leuphana Universität Lüneburg, Institut für Philosophie und Kunstwissenschaft und Centre for Digital Cultures

Zurück zum Blog!